Über den Mulla Nasrudin gibt es viele lustige Geschichten. Es handelt sich dabei um einprägsam verpackte Sufi-Lehren von Sufi-Meistern.
Die Geschichten sind symbolisch zu deuten, wobei der Esel meist für das Ego steht, als stur und schwer zu reiten.
Der spirituelle Lehrer
Ein runzliger Weiser jenseits von Shasharq, einem Land im Fernen Osten, war in einem Dorf angekommen. Seine philosophischen Ausführungen waren so abstrus und doch so spannend, dass die übliche Gesellschaft im Teehaus bald davon überzeugt war, dass er ihnen womöglich die Mysterien des Lebens entschleiern könnte.
Nasrudin lauschte ihm eine Weile: „Wissen Sie“, sagte er, „ich habe ähnliche Erfahrungen wie Sie auf Ihren Reisen gemacht. Ich war auch einmal ein wandernder Lehrer.“
„Erzählen sie mir darüber, wenn es sein muss“, sagte der Ältere, ein wenig ungehalten über die Unterbrechung.
„Oh ja, ich muss“, sagte der Mullah. Er fuhr fort: „Da war z.B. die Reise, die ich durch Kurdistan machte. Wo immer ich hinkam, wurde ich willkommen geheißen. Ich blieb in einem Kloster nach dem anderen, wo die Derwische mir aufmerksam zuhörten. Ich hatte freie Wohnstatt in den Karavansereien, freies Essen in den Teehäusern. Überall waren die Leute von mir beeindruckt.“
Der alte Mönch wurde etwas ungeduldig über all dieses Eigenlob.
„Hat niemals jemand irgendetwas gegen das eingewendet, was Sie sagten?“, fragte er verdrossen.
„Oh doch“, meinte Nasrudin. „Einmal wurde ich zusammengeschlagen und eingesperrt, und schließlich aus der Stadt gejagt.“
„Wieso das?“
„Nun, sehen Sie, die Leute dort konnten Türkisch, die Sprache in der ich lehrte.“
„Was war mit den Leuten, die Sie willkommen geheißen hatten?“
„Oh, die waren Kurden; sie haben eine eigene Sprache. Solange ich bei ihnen war, war ich sicher.“
Der Yogi, der Priester und der Sufi
Nasrudin zog ein Sufigewand an und entschied, eine Wallfahrt zu machen. Auf seinem Weg traf er einen Priester und einen Yogi, und sie beschlossen zusammen zu bleiben. Als sie in ein Dorf kamen, baten ihn die anderen, Spenden zu sammeln, während sie ihre Anbetungen ausführten. Nasrudin sammelte einiges Geld und kaufte dafür Halwa.
Er schlug vor, dass sie das Essen teilen sollten, aber die anderen, die noch nicht hungrig genug waren, sagten, dass das bis zum Abend warten könne. Sie gingen weiter ihres Weges; als es Nacht wurde, bat Nasrudin um die erste Portion „denn ich war der Vermittler, um das Essen zu bekommen.“ Die andern waren nicht einverstanden: der Priester aus dem Grund, dass er eine ordentlich organisierte hierarchische Gemeinschaft repräsentiere. Deshalb müsse er den Vorzug haben; der Yogi sagte, weil er nur einmal alle drei Tage essen würde, sollte er mehr bekommen.
Schließlich entschlossen sie sich zu schlafen. Am Morgen sollte derjenige die erste Wahl vom Halwa haben, der den besten Traum gehabt hatte.
Am Morgen sagte der Priester: „In meinen Träumen sah ich unseren Religionsgründer, der ein Segenszeichen machte, das mich als besonders gesegnet hervorhob.“
Die anderen waren beeindruckt, aber der Yogi sagte: „Ich träumte, ich hätte Nirvana erreicht und wurde völlig in nichts aufgelöst.“
Sie wendeten sich dem Mullah zu: „Ich habe geträumt, ich habe den Sufi-Lehrer Khidr gesehen, der nur den allerheiligsten Menschen erscheint. Er sagte: „Nasrudin, iss das Halwa – jetzt! „Und natürlich musste ich gehorchen.“
Was wirklich zählt
Ein Nachbar rief nach Nasrudin.
„Mullah, ich will mir Deinen Esel ausleihen.“
„Tut mir leid,“ sagte der Mullah, „aber ich habe ihn schon verliehen.“
Sobald er das gesagt hatte, brüllte der Esel. Das Geräusch kam aus Nasrudins Stall.
„Aber Mullah, ich kann den Esel da drin hören!“
Während er dem Mann die Tür vor der Nase zuschlug, sagte Nasrudin würdevoll:
„Ein Mann, der die Worte eines Esels den meinen vorzieht, verdient es nicht, dass ihm irgend etwas geliehen wird.“
Ich traue keinem von Euch
Mullah Nasrudins Haus brannte, sodass er auf sein Dach hinauf rannte, um sich in Sicherheit zu bringen. Dort war er und schwebte auf unsicheren Beinen auf dem Dach, als seine Freunde sich in der Straße unten versammelten. Sie hielten eine ausgebreitete Decke für ihn auf und riefen: „Spring, Mullah, spring!“
„Oh, nein!“, sagte der Mullah, „das werde ich nicht tun. Ich kenne euch Kameraden. Wenn ich springe, zieht ihr die Decke weg, nur um mich zum Narren zu halten!“
„Sei nicht albern, Mullah. Das ist kein Scherz! Das ist ernst. Spring!“
„Nein“, sagte Mullah, „ich traue keinem von Euch. Legt die Decke auf den Boden. Dann springe ich.“