Warum ist achtsame Berührung heilsam?
Wir leben hier in Mitteleuropa in einer Kultur, welche der individuellen Freiheit und Selbstverwirklichung der eigenen Persönlichkeit eine Fülle von Möglichkeiten eröffnet, wie kaum jemals zuvor. Kaum jemand fühlt sich heute noch durch gesellschaftliche Verpflichtungen gegenüber der Familie, Verwandtschaft, Dorfgemeinschaft, Tradition, Religion etc. leidvoll in seiner individuellen Entwicklung eingeschränkt. Ehemals notwendigen zwischenmenschlichen Kontakte und Verpflichtungen haben heute der Staat und bezahlte Dienstleister übernommen, also: Rentenversicherungen, Krankenkassen, ärztliche Versorgung, Pflegeheime, Kindergärten, Schulen, Finanzdienstleiter, Geburtshilfe und Bestattungsunternehmen etc. ... und auch das ist gut so!
In ärmeren Ländern in denen Menschen so eng aufeinander leben Menschen ist es heute noch kaum möglich sich ständigen Körperkontakt zu entziehen, sei es in der Großfamilie, dem öffentlichen Nahverkehr, auf dem Markt in der Kirche oder im Kino. Aber so wie dort vielleicht ein "Zuviel" und noch dazu oft eine erzwungene menschliche Nähe gibt, gibt es in unserer Kultur mittlerweile zunehmend einen Mangel an menschlicher Nähe und liebevollem Körperkontakt.
In unseren Körpern und Genen steckt immer noch die Erfahrung von zig-tausend Jahren als Säugetier und Herdenmensch, von Kommunikation und Identitätsfindung über körperliche Berührung.
Ein Säugling der keine körperliche Berührung erfährt, verkümmert oder stirbt sogar, ... verschwindet dieses Grundbedürfnis nach Berührung einfach so?
Gefühlte Einsamkeit und Ausgrenzung schwächt das Immunsystem und kann auf Dauer körperlich krank machen und zu Depressionen führen, das zeigen auch medizinische Studien.
Was kann dann umgekehrt wohl die Erfahrung einer annehmenden, liebevollen Berührung bewirken?
Für die Entdeckung von Rezeptoren für Temperatur und sanft streichelnde Berührung im Körper wurde 2021 der Medizin-Nobelpreis verliehen. Das hat inzwischen auch Studien zur heilsamen Wirkung von Berührung wie diese salonfähig gemacht:
Berührungsmedizin – ein komplementärer therapeutischer Ansatz unter besonderer Berücksichtigung der Depressionsbehandlung
von Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen et al.
Charité – Universitätsmedizin-Berlin (seit 17.12.2021 online)
Einleitung
Zwischenmenschliche Berührungen (engl. social touch) stellen ein menschliches Grundbedürfnis dar, da sie Empathie, Liebe, Fürsorge, Intimität und soziale Zugehörigkeit vermitteln [1] [2]. Die markinischen Berichte über den Modus der von Jesus bewirkten Heilungen, die die vormals Kranken ins soziale Leben zurückführten, illustrieren dies in besonderer Weise [3]. Ein Mangel an zärtlicher Berührung hinterlässt psychische und physische Schäden, insbesondere bei Neugeborenen und Kindern [4] [5]. Die experimentelle und klinische Forschung zur Bedeutung und zu den potenziellen Mechanismen sowohl sozialer wie heilsamer Berührung hat in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Erkenntnissen erbracht, die für viele Bereiche der klinischen Medizin relevant, doch nach unserer Erfahrung vielen Ärztinnen und Ärzten nahezu unbekannt sind. Zwar wird die moderne Medizin immer „biologischer“, körperzentrierter, übersieht jedoch häufig die Unterscheidung zwischen belebtem Leib und objektivierbarem Körper, wie sie auch modernen Embodiment-Konzepten [6] und der Rede vom „verkörperten Bewusstsein“ als Hintergrund einer Psychiatrie als Beziehungsmedizin [7] [8] zugrunde liegt. Daher wird nachstehend versucht, einen Bogen zwischen den Erkenntnissen der modernen Berührungsforschung und der klinischen Medizin zu spannen. Unser besonderes Augenmerk gilt in diesem Kontext den potenziellen Anwendungsgebieten von heilsamer Berührung, z. B. in Form des „Affective Touch“ [9] bei psychischen und psychosomatischen Störungen, die sich nicht nur isoliert, sondern typischerweise auch in Verbindung mit körperlichen Erkrankungen zeigen bzw. sich wechselseitig bedingen – es sei exemplarisch nur an die breit gefächerte Schmerzsymptomatik oder auch die erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität depressiver Patienten erinnert [10]. Die Integration moderner Studienergebnisse zu beispielsweise den therapeutischen bzw. präventiven Effekten spezifischer Berührungstechniken in der Schwangerschaft [11] oder der Depression in die praktische Medizin ist ein vielversprechendes Projekt, welches spürbar internationalen Aufwind erfährt [12] [13] [14]. Freilich ist bislang offen, welche Fachdisziplin innerhalb der medizinischen Profession sich dieser Aufgabe stellen will. ...
... und so weiter
weitere Links zu externen Seiten:
"Heilsame Berührung in der Therapie von Depressionen", Dr. Melanie Klingler (Medizinjournalistin), Pharmindex, 2021
"Heilsame Berührungen - und warum sie so wichtig sind", Doris Joachim (evangelische Pfarrerin), HR2 Morgenfeier, 2016
Impuls der Woche: Heilsame Berührung, Sigrid Haas (Theologin), Konradsblatt des Erzbistum Freiburg, 2021
"Heilsame Berührung: Ohne körperlichen Kontakt können wir nicht leben", Tanja Höfling, Euro Akademie magazin, 2021
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vom Berühren
Wenn Menschen zu mir kommen, weil sie Heilung suchen, tue ich manchmal nichts anderes, als sie zu berühren. Es gibt so viele Männer und Frauen, die nie in ihrem Leben berührt worden sind - die noch nie so berührt worden sind, wie sie gerne berührt werden möchten.
Wenn ich sie dann berühre, spüre ich, wie sich etwas in ihnen bewegt. Ich spüre, dass sie nicht wussten, wie es ist, berührt zu werden. Weil sie nie jemand berührt hat.
Ich habe auch mit Menschen zu tun, die die Schönheit des Berührtwerdens kennen, die aber mehr davon wollen. Und nicht wissen, wie und wo sie mehr davon bekommen. Denn die Welt, in der sie leben, hat für Berühren und Berührtwerden keinen Platz. Sie leben in einer dunklen Welt, in der es schwer ist, kraftvoll und leuchtend zu sehn.
Ihr Menschen des Westens lebt in einer solchen Welt. Kaum dass ihr euch grüßt, wenn ihr euch begegnet. Ihr lebt in Dunkelheit – voller Angst, was die anderen wohl über euch denken könnten. Ihr verbergt eure Schönheit - vor euch selbst und vor anderen. Deshalb könnt ihr sie nicht sehen. Deshalb lasst ihr euch nicht berühren. Und deshalb wagt ihr es nicht, andere zu berühren.
Meine Mutter nahm die Menschen in den Arm. Wildfremde Menschen. So schmolz sie das Eis in ihren Herzen. Einfach, indem sie sie berührte.Im Berührtwerden liegt Heilung. Lass dich berühren! Und wage es zu berühren!
Angaangaq Angakkorsuaq (Eskimo-Kalaalit-Schamane, Westgrönland)
aus dem Buch: „Schmelzt das Eis in euren Herzen – Aufruf zu einem geistigen Klimawandel"
Bilder von Angaagaq: westlich, traditionell, berührend
YouTube-Video mit Angaagaq (english): Video
Heilsame Berührung
Berührung und Körperkontakt sind ein menschliches Grundbedürfnis. Ein neugeborenes Kind wird bereits kurz nach dem Geburtsvorgang auf den Bauch der Mutter gelegt und beruhigt sich dadurch schnell. Der Körperkontakt gibt dem Kind das Gefühl von Geborgenheit und das Vertrauen auf die Zuverlässigkeit und Liebe seiner Betreuungspersonen. Es geht in diesem Zusammenhang um die Entstehung des Urvertrauens.
Auch der erwachsene Mensch trägt das Bedürfnis nach Berührung in sich. Nach dem Gehalten- und Getragensein der Kindheit, kommt in der Pubertät die Sexualität als Hauptberührungsquelle in das Erwachsenenleben. Viele Menschen leben jedoch allein oder sehnen sich nach bedingungsloser, achtsamer Berührung außerhalb von Sexualität. Für viele Menschen ist es heutzutage schwierig, sich diese Sehnsucht im Alltag zu erfüllen. Oft wird das unerfüllte Bedürfnis nach nährender Berührung durch Ersatzbefriedigungen und Süchte kompensiert.
Eine Berührung ist nicht nur ein angenehmes Gefühl. Liebevolle, herzliche Begegnungen sind notwendig für ein gesundes Immunsystem, geistige Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit. Wir sind nachweislich glücklicher und zufriedener in unserem Leben, wenn wir ausreichend Berührungen erhalten.
Diese Phänomene lassen sich sogar wissenschaftlich erklären:
Durch Stimulation des Tastsinns wird die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol reduziert und somit Entspannung und das Immunsystem gestärkt. Zum anderen wird die Vagusfunktion (Parasympatikus) des Körpers angeregt, d.h. des Teils unseres vegetativen Nervensystems, der für Erholung und Regeneration des Körpers zuständig ist. Somit kommen Herzschlag, Atmung und Blutdruck zur Ruhe.
Berührung ist eine universelle Sprache
Berührung ist eine universelle Sprache, die Distanz überbrückt und Fremdes vertraut macht. Sie lehrt uns, mit dem Herzen zu sehen. So ist Berührung das, was Menschen aller Nationen, Ethnien und spiritueller Ausrichtung verbindet.gefunden auf: TouchLife – Frank B. Leder (Author dort nicht genannt)