Über den Mulla Nasrudin gibt es viele lustige Geschichten. Es handelt sich dabei um einprägsam verpackte Sufi-Lehren von Sufi-Meistern.
Die Geschichten sind symbolisch zu deuten, wobei der Esel meist für das Ego steht, als stur und schwer zu reiten.
Die Ankündigung
Nasrudin stand auf dem Marktplatz und begann zur Menge zu sprechen. „Oh Menschen! Wollt ihr Wissen ohne Schwierigkeiten, Wahrheit ohne Falsch, Erfolg ohne Anstrengung, Fortschritt ohne Opfer?“
Sehr bald gab es eine große Menschenansammlung und alle riefen: „Ja! Ja!“
„Großartig!“, sagte der Mullah. „Ich wollte es nur wissen. Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass ich Euch alles darüber erzähle, wenn ich jemals so etwas entdecken werde.“
Wiederholung
Eine Räuberbande zog ihren Nutzen aus dem sehr großen Ansehen, das Sufis als Lehrer mit besonderen Einsichten haben, und setzten sich in einem verlassenen Kloster an einer Durchgangsstraße fest, wo sie vorgaben, Sufi Derwische zu sein.
Nasrudin und sein kleiner Sohn waren auf einer langen Reise, als sie von einem Ausguck der Räuber erspäht wurden. Sofort begannen sie einen rhythmischen Tanz aufzuführen, mit heftiger Lärmentwicklung. Als sie herankamen, sagte Nasrudin zu seinem Sohn: „Bald bricht die Nacht herein, und das scheint ein Kloster mit fortgeschrittenen Derwischen zu sein. Lass uns ihre Gastfreundschaft suchen.“
Die falschen Derwische begrüßten sie herzlich und baten Mullah sogar, ihre speziellen Übungen mitzumachen. Diese hatten die Form von schnellen Kreisbewegungen mit der Wiederholung von Sätzen, die von Zeit zu Zeit vom Leiter geändert wurden.
Nun drehte sich Nasrudin mit den Besten von ihnen, nahm die wiederholten Schreie auf und war in einem beinahe hysterischen Geisteszustand. Da begann der Leiter der „Derwische“ zu schreien: „Ich gebe Euch meinen Esel! Ich gebe Euch meinen Esel!“ Gehorsam echote Nasrudin den Refrain und das Tempo
wurde erhöht, bis er in Ohnmacht fiel.
Als er im Morgengrauen aufwachte, fand Nasrudin die Räuber – und den Esel verschwunden. „Ich dachte, ich hätte Dir das Tier anvertraut!“, brüllte er seinen Sohn an.
„Ja Vater. Aber als einer der Derwische kam und den Esel wegnahm, rannte ich zu Dir und Du riefst: „Ich gebe Euch meinen Esel!“, so oft und vor Zeugen, dass ich erkannte, dass Du ihn weggegeben hattest.“
Nichts weggenommen bekommen
Kaum jemand konnte Nasrudin verstehen, der es manchmal schaffte, einen Sieg in einer Niederlage zu sehen. Manche Dinge schienen durch seine Einmischung aus den Fugen zu geraten. Aber es gab das Gerücht, dass er auf einer anderen Ebene lebte, als andere, und eines Tages entschloss sich ein junger Mann, ihn zu beobachten um herauszufinden, wie er überhaupt überleben konnte, und ob man etwas von ihm lernen konnte.
Er folgte Nasrudin an das Ufer eines Flusses und sah, wie er sich unter einen Baum setzte. Plötzlich streckte der Mullah seine Hand aus, und darin erschien ein Kuchen, den er aß. Das machte er dreimal. Dann streckte er seine Hand noch einmal aus, ergriff einen Kelch und tat daraus einen tiefen Schluck. Der Jüngling, der nicht mehr fähig war, an sich zu halten, eilte zu Nasrudin und ergriff ihn. „Sag mir, wie Du diese wundersamen Dinge machst, und ich mache alles, was Du willst“, sagte er.
„Das werde ich tun“, sagte Nasrudin, „aber erst musst Du in den richtigen Geisteszustand eintreten. Dann haben Zeit und Raum keine Bedeutung mehr, und du kannst den Hofmeister des Sultans erreichen, damit er Dir Konfekt reicht. Es gibt nur eine Bedingung.“
„Ich akzeptiere sie!“, rief der junge Mann.
„Du musst meinem Weg folgen.“
„Erzähle mir von ihm.“
„Ich kann Dir immer nur eins auf einmal sagen. Möchtest Du die leichte Aufgabe oder die schwere?“
„Ich wähle die schwere.“
„Das ist Dein erster Fehler. Du musst mit der leichten anfangen. Aber jetzt geht das nicht mehr. Du hast die schwere gewählt. Die Schwere ist folgende: Mache ein Loch in Deinen Zaun, sodass Deine Hühner in den Garten Deines Nachbarn können, um dort genügend aufzupicken, um groß zu werden. Aber es muss auch so klein sein, dass die Hühner Deines Nachbarn nicht in Deinen Garten kommen können, um sich dort gütlich zu tun.“
Der junge Mann konnte das nie begreifen, er wurde nie ein Schüler von Nasrudin. Aber als er den Leuten erzählte, was Nasrudin tun konnte, dachten dieser, dass er verrückt wäre.
„Das ist ein guter Anfang“, sagte Nasrudin „eines Tages wirst Du ein Lehrer sein.“
Die Belohnung
Nasrudin hatte gute Neuigkeiten für den König und schaffte es nach beträchtlichen Schwierigkeiten eine Audienz zu erhalten, obwohl, der Tradition gemäß, theoretisch jedes Anliegen das Recht hatte, sofort bei Hofe vorgetragen werden zu dürfen.
Der König hatte Gefallen an dem, was ihm berichtet wurde. „Wähle Deine eigene Belohnung“, sagte er. „Fünfzig Hiebe“, antwortete Nasrudin. Verwirrt ordnete der König an, dass Nasrudin geschlagen werden sollte.
Nachdem fünfundzwanzig Hiebe verabreicht worden waren, rief Nasrudin: „Stopp!“
„Nun“, sagte er, „bringt meinen Partner herein und gebt ihm die andere Hälfte der Belohnung. Der Haushofmeister, Eure Majestät, wollte mir nicht erlauben, Euch zu sehen, bevor ich ihm nicht schwor, dass ich ihm genau die Hälfte dessen geben würde, was auch immer ich für die guten Nachrichten erhalten würde.“