... ich war ein verborgener Schatz und wollte erkannt werden ...

Der Beginn von göttlicher Weisheit ist Milde und Freundlichkeit, welche aus der Größe der Seele und dem Ertragen von Schwächen entsteht.

Isaak von Niniveh (ca. 650  n.Chr.)
(aus: Über das Leid des törichten Eifers in der Maske des Göttlichen)

© 2024 Akademie-Lichtung

Der getarnte Messias

Ein Guru, der in seiner Höhle im Himalaya meditierte, öffnete seine Augen, und entdeckte einen unerwarteten Besucher, den Abt eines bekannten Klosters. "Wonach suchst Du?", fragte der Guru.

Der Abt erzählte seine schmerzliche Geschichte: Einst war sein Kloster weithin berühmt gewesen. Seine Zellen waren voller junger Aspiranten und in seiner Kirche erklang der volle Gesang der Mönche. Aber jetzt waren harte Zeiten für das Kloster angebrochen. Die Leute kamen nicht mehr, um ihren Geist zu nähren, keine Schüler waren mehr in den Zellen, und die Kirche still geworden. Nur noch eine Handvoll Mönche waren zurückgeblieben und diese gingen schweren Herzens ihrer Arbeit nach.

Der Abt wollte nun wissen, was passiert sei. Ob sie sich vielleicht einer Sünde schuldig gemacht hätten, und deshalb ihr Kloster so heruntergekommen wäre? Und welche Sünde könnte das sein?

Nachdem der Guru eine Weile meditiert hatte, öffnete er seine Augen und antwortete: Einer von Euch ist der Messias, aber er ist getarnt, und ihr habt das nicht bemerkt. Damit schloss der Guru wieder seine Augen und ging zurück zu seinen Meditationen. Der Abt ging gedankenversunken zurück in sein Kloster. Wie konnte er das übersehen haben? Und wer von den Brüdern konnte es sein? Er selbst war es sicher nicht. Alle seine Mitbrüder hatten, so wie er selbst, viele Fehler. Aber konnten die Fehler vielleicht diese Tarnung sein? Einer von ihnen musste jedenfalls der Messias sein.

Der Abt rief seine Mitbrüder zusammen und berichtete ihnen, was der Guru verkündet hatte. Natürlich herrschte sofort großer Aufruhr. Der Messias, mitten unter ihnen! Wer konnte es sein? Wenn er getarnt war, würden sie ihn nicht so leicht erkennen, und so konnte es jeder von den anderen sein. Also begannen sie sich
gegenseitig mit großem Respekt und Rücksicht zu behandeln. Man wusste ja nie, ob man nicht eben dem Messias gegenüberstand.

Und dann passierte etwas Seltsames. Die Atmosphäre im Kloster wurde beschwingt und voller Freude. Bald strömten wieder Besucher und Aspiranten ins Kloster, und die Kirche war wieder erfüllt von heiligen und frohen Gesängen der Mönche, die im Geist der Liebe glühten.

Welchen Sinn macht es Augen zu haben, wenn das Herz blind ist.

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