... ich war ein verborgener Schatz und wollte erkannt werden ...

Hermann Hesse

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, blüht jede Weisheit auch und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in and're, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen, der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen!  Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegen senden: des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse (1877 - 1962)
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Die Frucht

Es gab einmal drei Männer, die alle Früchte haben wollten, obwohl keiner von ihnen je welche gesehen hatte, denn sie waren selten, in ihrem Land.

So geschah es, dass sie alle drei loszogen, um nach diesem fast unbekannten Ding zu suchen, das man Frucht nannte. Und auch geschah es, dass jeder etwa zur gleichen Zeit seinen Weg zu einem Obstbaum fand.

Der erste Mann war ein achtloser Mann. Er kam zu dem Baum, aber er hatte soviel Zeit damit zugebracht, über die Richtungen nachzusinnen, dass er die Früchte nicht erkannte. Seine Reise war verloren.

Der zweite Mann war ein Dummkopf. Er nahm die Dinge wörtlich. Als er sah, dass alle Früchte auf dem Baum, überreif waren, sagte er: „Ok, ich habe also Früchte gesehen, aber ich mag keine vergammelten Sachen. Soweit es mich betrifft, ist die Sache mit den Früchten beendet.“ Er ging seiner Wege, und seine Reise war umsonst.

Der dritte Mann war weise. Er las einige Früchte auf und untersuchte sie. Nach manchen Gedanken und Gehirnqualen, um alle Möglichkeiten dieser ungenießbaren Delikatesse zu bedenken, fand er heraus, dass in jeder Frucht ein Stein war. Als er erkannte, dass dieser Stein ein Same war, musste er nur noch diesen Samen pflanzen, sein Wachstum bewachen und warten – auf Frucht.

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